Samstag, 7. März 2015

Bei Prachtwetter weitere Lawinenabgänge in Tirol...Wo heißt es besonders aufzupassen?

Nicht unerwartet lösten Wintersportler heute weitere Lawinen aus. In Summe langten bei uns 17 Meldungen über Lawinenabgänge über die Leitstelle Tirol ein. In 7 Fällen informierten Wintersportler die Leitstelle, dass definitiv nichts passierte (u.a. via Notruf 140), 5 Mal handelte es sich um unklare Situationen, zumindest in 4 Fällen wurden Personen erfasst und teilweise verschüttet: Gaishorn bei Tannheim im Außerfern, Lämpersberg und Hochhörndlspitze in den Kitzbüheler Alpen, Hinteres Kreuzjoch bei See in der Silvretta. Von letzterem Fall wurden wir gerade vom Alpinpolizisten Thomas Lechleitner detaillierter informiert: Der Anriss der Lawine befand sich auf 2820m im südexponierten, kammnahen Gelände. Die Lawine war 170m breit, 240m lang bei einer maximalen Anrissmächtigkeit von 1,4m. Die Auslösung erfolgte vermutlich im Nahbereich eines Felsen an einer schneeärmeren Stelle im knapp 30 Grad steilen Gelände. Eine Person wurde total, 2 teilverschüttet.

Selbst schauten wir uns heute den Lawinenabgang westlich des Hochtennbodens in den Nördlichen Stubaier Alpen gemeinsam mit dem betroffenen Snowboarder an, der gestern ca. 500m von einem Schneebrett mitgerissen wurde. Die Lawine wurde auf ca. 2200m in einem schneeärmeren, extrem steilen WNW exponierten Hang im Altschnee ausgelöst. Oberflächennah befand sich der kürzlich gefallene, u.a. auch verfrachtete und gesetzte Schnee, darunter eine nur wenige cm dicke Schmelzkruste, darunter zum Teil recht ausgeprägte kantige Kristalle samt Schwimmschnee, die als Gleitfläche dienten.

Die linke Spur zeigt die Einfahrtsspur des betroffenen Wintersportlers; Lawinenauslösung nahe des Anrisses in einem relativ schneearmen Bereich

Was heute am 07.03. noch auffiel waren spontane Lockerschneelawinen aus extrem steilem, besonnten Gelände, sowie vereinzelt spontane Schneebrettlawinen aus sehr steilem, kammnahen, südexponierten Gelände.

Spontane Schneebrettlawinen vom 07.03. in besonntem, kammnahen Gelände.  Frischer Triebschnee, der auf lockerem, kalten Pulverschnee lagerte und durch die Sonneneinstrahlung und Erwärmung destabilisiert wurde
 
Es kann davon ausgegangen werden, dass der heutige strahlungsintensive und warme Tag inzwischen zu einer deutlichen Stabilisierung der frischen Triebschneepakete in besonntem, sehr steilen Gelände geführt hat. Dies wurde u.a. auch von unserem Beobachter Alois Mariacher aus Osttirol bestätigt. Er war während der vergangenen Tage im Glocknergebiet unterwegs. Dort konnte frischer Triebschnee gestern am 06.03. noch sehr leicht gestört werden, heute war dies offensichtlich nicht mehr der Fall. Die raschere Stabilisierung als in Nordtirol erklärt sich durch die deutlich geringere Neuschneemenge und somit weniger mächtigen Triebschneepakete.

Eine Störung von kürzlich gebildetem Triebschnee auf kaltem, lockeren Pulverschnee sollte somit eher nur mehr in schattigem Steilgelände in größeren Höhen sowie in hochalpinen Lagen (oberhalb etwa 3000m) kammnah in besonnten Hängen möglich sein. Von einer weiteren, recht raschen Verbindung und somit Stabilisierung ist auszugehen.

Kürzlich gebildeter Triebschnee, der sich spontan im schattigen Gelände vermutlich während des Windeinflusses gelöst hat. (Foto: 07.03.2015)

Was bleibt ist die lokale Störanfälligkeit der Altschneedecke. Dabei kommen grob folgende Bereiche in Frage:
Lichter, schattiger, sehr steiler Waldgrenzbereich und etwas darüber, und zwar dort, wo vor den Schneefällen eine windberuhigte, aufbauend umgewandelte Schneedecke vorhanden war und nun von Triebschnee überlagert wurde.

Spontanes Schneebrett im lichten, schattigen Waldgrenzbereich auf einer aufbauend umgewandelten Altschneedecke; Nördliche Stubaier Alpen (Foto: 07.03.2015)

Etwas schwierig zu beurteilen, sind die schneearmen Bereiche, wo Lawinen im Altschnee ausgelöst werden können. Es handelt sich um Schwimmschneenester unterhalb von Krusten und somit um klassische "hot spots", von denen eine Bruchfortpflanzung in tendenziell besser verbundene Bereiche möglich ist. Schattseitig ist dies vermehrt unterhalb etwa 2600m, west- und ostseitig vermehrt oberhalb etwa 2300m, südseitig oberhalb etwa 2500m möglich. Weniger steile, besonnte Hänge können dabei mitunter auch in etwas tieferen Bereichen störanfällig sein. Dies hängt mit der vergleichsweise weniger ausgeprägten, die Schneedecke stabilisierenden Schmelzkruste zusammen als in sehr steileren Hängen gleicher Höhenlage und Exposition. Mit zunehmender Seehöhe werden diese Schmelzkrusten dünner. Mit zunehmender Seehöhe findet man gleichzeitig auch eine vermehrt vom Wind beeinflusste, mitunter recht harte (Alt-)Schneedecke, die dadurch tendenziell stabiler ist.

Zusätzlich zu beachten ist nun zunehmend ein tageszeitlicher Gang der Lawinengefahr. Dort, wo die Schneedecke massiv durchfeuchtet wird, verliert diese an Festigkeit. Ein ausgeprägter Lawinenzyklus ist derzeit allerdings noch nicht zu erwarten.