Montag, 13. April 2015

Details zum tödlichen Lawinenunfall unterhalb der Gargglerin in den Südlichen Stubaier Alpen vom 12.04.2015 inklusive kurzer Rückblick auf das vergangene, lawinenaktive Wochenende


Dank der Unterstützung durch die Alpinpolizei konnten wir uns heute am 13.04. den Lawinenunfall unterhalb der Gargglerin genauer anschauen.

Bei der Unfalllawine handelte es sich um eine große spontane, nasse Schneebrettlawine, die zwei Skitourengeher bei der Abfahrt erfasst, mitgerissen und total verschüttet hat. Wie im vorigen Blogeintrag schon erwähnt, wurde eine der Personen getötet, die andere konnte nach 10 Stunden Verschüttungszeit ansprechbar ausgegraben werden. Die Schneebrettlawine riss in einem extrem steilen O-exponierten Hang in einer Seehöhe von etwa 2300m um die Mittagszeit. Die Anrissmächtigkeit variierte von ca. 0,3m - 2,5m. Die Lawine ist ca. 1000m lang und 170m breit.


Die Unfalllawine unterhalb der Gargglerin im Sandestal, einem kleinen Seitental des Gschnitztals in den Südlichen Stubaier Alpen. Die Personen wurden am linken Lawinenkegels aufgefunden.  (Foto: 13.04.2015)

Als Auslöseursache kommt primär die massive, auch entsprechend vorhergesagte Durchnässung der Schneedecke während des Wochenendes in Frage.

An der, in der Nähe des Unfallortes stehenden Wetterstation Gallreideschrofen erkennt man wichtige Einflussgrößen für die Lawinensituation. Konzentrieren wir uns primär auf den violett eingekreisten Bereich: (grau: Schneeoberflächentemperatur; rot: Lufttemperatur; blau: Taupunkt, ein Feuchtemaß der Luft). Man erkennt einerseits die rasche Durchnässung der Schneedecke am 11.04. (graue Linie geht zu 0), zudem den Bewölkungsaufzug während der Abend- und Nachtstunden (rote und blaue Linie treffen sich). Die Schneedecke konnte sich somit während der Nacht kaum auskühlen. Zum Vergleich: Vom 12.04. auf den 13.04. war dies wieder der Fall, weil die Luft deutlich trockener wurde. Schauen wir uns nun die Globalstrahlung an: Zwar war die Strahlungsenergie am 11.04. und 12.04. vergleichsweise geringer als an den vorangegangenen wolkenarmen Tagen, allerdings muss man wissen, dass diffuse Strahlung (Gegenstrahlung aufgrund von Wolken) zu 100% von der Schneedecke aufgenommen wird, während dies bei direkter Sonneneinstrahlung nicht der Fall ist.

Die Schneedecke hatte somit bereits am 12.04. in der Früh wenig bis keine Festigkeitsreserven. Ein lawinenaktiver Tag war somit bereits von der Früh weg vorprogrammiert. 

Beim Lawinenabgang dienten schlussendlich ältere, ursprünglich aufbauend umgewandelte Schichten als primäre Gleitfläche für die Schneebrettlawine. Zusätzlich erscheint es wahrscheinlich (ist aber nicht unbedingt als Erklärung notwendig), dass ein Impuls einer nassen Lockerschneelawine zum Bruch des Schneebrettes geführt hat.

Im Anrissbereich: Aus felsdurchsetztem Gelände oberhalb des Anrisses erkennt man einige nasse Lockerschneelawinen (zwei davon wurden eingezeichnet), die ev. den Impuls für den Abgang des Schneebrettes gegeben haben. (Foto: 13.04.2015)

Am Lawinenanriss (Neigung am Fotostandort knapp 50 Grad). Die Schneedecke war hier völlig durchnässt. (Foto: 13.04.2015)

Das Schneeprofil im Anrissbereich zeigt u.a. die massive Durchnässung der Schneedecke

Der Lawinenkegel: Die Skitourengeher befanden sich gerade bei der Abfahrt ins Tal, als sie vom spontanen Schneebrett erfasst wurden. Der Pfeil zeigt die Abfahrtsrichtung, die zwei Kreise die Verschüttungsstellen (Foto: 13.04.2015)

Die Erklärung der langen Überlebenszeit eines der Verschütteten liegt übrigens darin, dass seine Atemwege frei waren und zusätzlich offensichtlich zwischen Lawinenknollen genügend Luftzufuhr von außen gegeben sein musste.

Abgesehen von diesem tödlichen Lawinenunfall, bei dem Pech und Glück so nahe beieinander lagen, hatten viele Wintersportler am vergangenen Wochenende extremes Glück (sh. u.a. auch vorige Blogeinträge: Lawinenabgänge Schöntal, Brunnensteinspitze).

Drei Personen lösten am 12.04. um 13:05 bei der Abfahrt von der Alplespleisspitze (Region Arlberg-Außerfern) dieses Schneebrett aus und blieben unverletzt. (Foto: 12.04.2015)

Am 12.04. löste sich in der Schlick eine nasse Lockerschneelawine, in Folge eine Schneebrettlawine, die sich langsam Richtung Piste ergoss. Es kam niemand zu Schaden. (Foto: 13.04.2015)

Wie schon erwähnt, in ganz Tirol gingen einige Lawinen von selbst ab. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um sehr steiles, der Sonne zugewandtes Gelände.
Spontane Nassschneelawine im Bereich des Niederen Zauns in Osttirol (Foto: 11.04.2015)

Blick von der Jamtalhütte in Richtung spontaner Lawinen, die am 12.04. kurz nach Mittag abgegangen sind. Hüttenwirt Gottlieb Lorenz veranlasste übrigens einen frühmorgendlichen Gepäcktransport ins Tal, um zu verhindern, dass Personen gegen Mittag das Tal verlassen würden…

Eine weitere spontane Schneebrettlawine vom 12.04. im Gschnitztal, die durch eine Lockerschneelawine ausgelöst wurde (Foto: 13.04.2015)

Auch Gleitschneelawinen waren ein Thema, wie diese, vermutlich am 12.04. abgegangene unterhalb der Nockspitze in den Nördlichen Stubaier Alpen (Foto: 13.04.2015)

Nicht unerwähnt muss auch bleiben, dass in hoch gelegenen Regionen am Wochenende teilweise durchaus gute Skitourenbedingungen vorzufinden waren. Regen in tieferen Lagen führte zu Neuschnee und kurzfristig sogar Pulver in hochalpinen Bereichen.

Pulverschnee am Langferner in den Südlichen Ötztaler Alpen (Foto: 12.04.2015)